Liebe Mitglieder, liebe Metallerinnen und Metaller,
mehr Geld für mehr Leistung. Für mich ist das selbstverständlich. Doch was ist mit den Überstunden? Die Krux mit ihnen ist, dass sie teuer sind und das Modell des „Abfeierns“ haut in der Regel nicht hin. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten ist es da eine attraktive Möglichkeit für Arbeitnehmer, zusätzliches steuerfreies Geld aus einer geringfügigen Beschäftigung zu verdienen. Das ist außerhalb des Hauptarbeitsverhältnisses erlaubt. Wirklich gut finden wir diesen Trend nicht, denn wir geben nur ungern unsere gut ausgebildeten Fachkräfte her.
Wir als Bundesverband Metall fordern ein Modell, das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern über die 40-Stunden-Grenze hinaus bis zu 520 Euro mehr bei ihrem Hauptarbeitgeber verdienen können – und dies frei von Steuer- und Sozialversicherungsabgaben. Warum ist es für Mitarbeiter zulässig, bei einem anderen Unternehmen dazu zu verdienen, bei seinem Hauptarbeitgeber aber nicht? Warum erst umständlich Werkstore wechseln und Zeit verlieren? Für mich ist das eine weitere bürokratische Hürde, die mit gesundem Menschenverstand nicht zu erklären ist.
Auch in Bezug auf den Fachkräftebedarf haben wir mit dem Modell des Hinzuverdienens im eigenen Hause eine Chance, fehlende Stunden abzumildern. So schaffen wir eine attraktive Möglichkeit für unsere Mitarbeitenden, die dann nicht abwandern in andere Betriebe, wo sie außerdem Kraft und Know-how lassen. Vom „Haus-Modell“ profitieren Arbeitnehmer, Betriebe und Kunden. Es hilft letztendlich der gesamten Wirtschaft und schafft Wohlstand für alle.
Unsere Kollegen aus Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen hatten bereits im letzten Sommer einen Vorstoß gewagt und eine Forderung an das jeweilige Wirtschaftsministerium gestellt, die geringfügige Beschäftigung offiziell auch beim Hauptarbeitgeber zu ermöglichen. Das aber scheint wenig Aussicht auf Erfolg zu haben. Das bayerische Wirtschaftsministerium begründet dies in seiner Antwort auf die Forderung der Kollegen vom Fachverband Bayern so, dass man zwar den Ansatz von der Sache her interessant fände, eine derartige Regelung aber einen „grundlegenden Bruch in der Rechtssystematik“ bedeute, der realistisch nicht umsetzbar erscheine. Konkret: Das bisher geltende Steuerrecht möchte uns, die mittelständischen Betriebe, als profitable Einnahmequelle für Steuer- und Sozialversicherungsabgeben nicht bevorteilen. Auch wenn man die Notwendigkeit zur Senkung der Steuer- und Abgabenlast begrüße, so würden – so im Wortlaut – „die für das Steuerrecht verantwortlichen Stellen einen derartigen Vorgang definitiv nicht umsetzen“. So what? Da wird ein sinnvoller Vorschlag einfach mal vom Tisch gefegt, weil er nicht in die bestehende Rechtsordnung passt? Wo bleibt denn da das Engagement der Entscheidungsträger? Doch das nur am Rande.
Das bayerische Wirtschaftsministerium macht einen systemkonformen Vorschlag, den wir – vor dem Hintergrund, dass sich sonst gar nichts ändert – begrüßen. Es empfiehlt etwa die Nicht-Besteuerung von Überstunden oder eine adäquate Anhebung des Steuerfreibetrages mit derselben fiskalischen Wirkung, wie wir es uns wünschen. Vor dem Hintergrund scheint unsere Forderung, Überstunden frei von Steuer- und Sozialversicherungsabgaben in unseren Betrieben zu ermöglichen, noch eher eine politische Chance zu haben.
Das bayerische Wirtschaftsministerium setze sich im Schulterschluss mit den Wirtschaftsverbänden „mit Nachdruck“ für eine Absenkung der Steuer- und Abgabenlast der Unternehmen ein. Das sind Worte, die wir auf die Waagschale legen. Zumindest hat die Union in Bayern kürzlich eine Alternative für „steuer- und sozialabgabenfreie Überstunden“ als Sofortmaßnahme zur Entlastung von Bürgern und Unternehmen gefordert. Sie werben mit einem 5-Punkte-Plan zur Ankurbelung der Wirtschaft unter anderem durch Senkung von Energiekosten und mehr Respekt für Arbeit und Fleiß. Nun denn, auch das werden wir im Auge behalten. Ich will mich in Teilen den Worten von Hessens Ministerpräsident Boris Rhein anschließen, der sagt: Deutschland braucht eine Wachstumsagenda für Wirtschaft und Wohlstand. Weniger Bürokratie, weniger Belastung, mehr Anreize. Weniger Amtsstube, mehr Werkbank. Und: Wir müssen rasch handeln.
Willi Seiger
Präsident des Bundesverbands Metall
Foto: Jens Nieth