Nichtrostender Stahl – insbesondere Duplex-Stahl – bietet enorme Potenziale für nachhaltiges Bauen. Doch in vielen Bereichen steckt der Einsatz noch in den Kinderschuhen.
Stahl ist im Bauwesen weit mehr als ein altbewährter Baustoff. Er ist ein Schlüsselwerkstoff, dessen Entwicklung und Anwendung untrennbar mit dem Anspruch verbunden sind, ressourcenschonend, langlebig und wirtschaftlich zu bauen. Das wurde einmal mehr deutlich beim Fachseminar „Nichtrostender Stahl im Bauwesen“ an der Universität Duisburg-Essen. Organisiert in Kooperation mit der Informationsstelle Edelstahl Rostfrei (ISER) und der Forschungsvereinigung Stahlanwendung (FOSTA), bot die Veranstaltung ein eindrucksvolles Panorama aktueller Forschung und Praxis.
Im Zentrum stand die Frage, wie moderne nichtrostende Stahlsorten – allen voran Duplex-Stähle – zu einer nachhaltigeren Bauweise beitragen können. Diese Werkstoffe vereinen Eigenschaften, die für zukunftsorientierte Bauprojekte entscheidend sind: hohe Festigkeit, hervorragende Korrosionsbeständigkeit und eine nahezu verlustfreie Wiederverwertung.
Duplex-Stahl: Starke Argumente für eine nachhaltige Zukunft
Die technischen Vorteile von Duplex-Stählen sind seit Jahren bekannt, sie werden jedoch im bauaufsichtlich geregelten Bereich erst nach und nach genutzt. Ihr zweiphasiges Gefüge aus Austenit und Ferrit ermöglicht eine hohe mechanische Festigkeit (Rp0,2 oft >400 MPa) bei gleichzeitig hoher Zähigkeit – eine Kombination, die klassischen Baustählen überlegen ist. Damit lassen sich Konstruktionen mit dünneren Wanddicken realisieren, was Material und Gewicht spart und folglich Transport- und Montageaufwände reduziert. Auch die Korrosionsbeständigkeit ist durch die Bildung einer passiven Chromoxidschicht beeindruckend: Während konventionelle Baustähle aufwändig geschützt und regelmäßig saniert werden müssen, bleibt Duplex-Stahl in vielen Anwendungen jahrzehntelang nahezu wartungsfrei.
Recyclingfähigkeit und Ressourceneffizienz
Ein weiterer, wichtiger Aspekt betrifft die Kreislaufwirtschaft: Bis zu 95 % des in Europa eingesetzten nichtrostenden Stahls basieren auf Schrott. Nach Nutzungsende lässt sich der Werkstoff praktisch vollständig wiederverwerten. Diese Eigenschaften sind in einer Zeit, in der Lebenszyklusanalysen, CO₂-Bilanzen und Umweltwirkungen immer mehr Ausschreibungen prägen, ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.
Prof. Dr.-Ing. Natalie Stranghöner (Universität Duisburg-Essen) zeigte, dass sich die Normenlandschaft ebenfalls weiterentwickelt: Die zweite Generation der EN 1993-1-4 wird künftig noch präzisere Vorgaben für nichtrostende Stähle enthalten – etwa zur Bemessung kaltverfestigter Profile, zu Festigkeitssteigerungen und zu verlässlichen Klassifizierungen der Korrosionsbeständigkeit. Die Anforderungen an die Nachweise steigen, gleichzeitig werden jedoch wirtschaftlichere Lösungen möglich, da die Potenziale moderner Werkstoffe normativ besser abgebildet werden.
Normung, Wissenstransfer und gemeinsame Verantwortung
Die langjährige enge Kooperation zwischen dem Bundesverband Metall und der Universität Duisburg-Essen bildet dafür eine tragende Säule. Gemeinsam engagieren sich die Institutionen in relevanten nationalen und internationalen Normungsgremien, von den Eurocodes über die DIN EN 1090 bis hin zu Sonderregelungen der abZ und abG. Dieses Engagement hat in den letzten Jahren dazu beigetragen, die Akzeptanz neuer Werkstoffe in der Praxis zu fördern und verlässliche Rahmenbedingungen für Planer und Verarbeiter zu schaffen.
Gerade in komplexen Einsatzumgebungen – etwa Brückenbauwerken, Tunneln oder Fassadenkonstruktionen in maritimer Atmosphäre – ist die Kombination aus normativem Wissen, praktischer Erfahrung und kontinuierlicher Weiterbildung entscheidend.
Herausforderungen der Anwendung
Gleichwohl darf nicht verschwiegen werden, dass die Verarbeitung von Duplex-Stählen besondere Anforderungen stellt. Hochlegierte Werkstoffe erfordern qualifizierte Schweißtechnik, exakte Bemessung und ein sensibles Verständnis für die Wechselwirkungen von Material, Konstruktion und Umgebungseinflüssen. Wie Dr. Sebastian Heimann (ISER) in seinem Beitrag hervorhob, ist Korrosionsbeständigkeit keine bloße Materialeigenschaft, sondern eine Systemeigenschaft: Nur wenn Planung, Werkstoffauswahl, Verarbeitung und Instandhaltung aufeinander abgestimmt sind, lässt sich das volle Potenzial ausschöpfen. Ein falsches Detail – wie unzureichend gereinigte Schweißnähte oder nicht abgestimmte Befestigungsmittel – kann die theoretisch hohe Lebensdauer drastisch verkürzen.
Autor:
Thomas Röper (B.Eng.)
Technischer Berater in der Fachberatungs- und Informationsstelle beim Bundesverband Metall in Essen
Mail: thomas.roeper@metallhandwerk.de